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TV-Kritik/Review: "Atlanta Medical": Die egomanischen Ärzte
(24.10.2018)
Über Jahrzehnte haben Arztserien versucht, die Halbgötter in Weiß zu entmystifizieren, ihnen menschliche Züge zu vermitteln. Bei
Die neue ProSieben-Serie "Atlanta Medical" stellt die üblichen Krankenhausdramen mit einem eigenen Twist dar: In einer Zeit, wo die medizinischen Möglichkeiten immer mehr werden, entstehen zwei neue Spannungsfelder: Was ist wirklich sinnvoll, verbessert das Leben der Patienten, und was ist - insbesondere unter den Eigenheiten des US-Gesundheitssystems - bezahlbar. Drei Männer und eine Frau bilden das zentrale Quartett.
Aus unterschiedlicher Perspektive werden die Protagonisten eingeführt. Wie es für eine Serie fürs Massenpublikum üblich ist, braucht man über ihre Charakterisierung kaum mehr zu wissen, als was die Macher in den ersten 15 Minuten präsentieren. Doktor Randolph Bell (Bruce Greenwood,Conrad Hawkins (Matt Czuchry,
Devon Pravesh (Manish Dayal), der heute seinen ersten Tag als Assistenzarzt hat, erwacht im Bett neben seiner bezaubernden Freundin. Die Fotos in seiner Wohnung zeigen seine Eltern, den Vater als bescheidenen Taxifahrer und einen Bruder in Uniform. Pravesh hat es weit gebracht - ein Diplom der renommierten Harvard Medical School hängt gerahmt an der Wand. Seine Freundin schenkt ihm zum Beginn seines neuen Lebensabschnitts eine goldene Uhr.
Damit sind die Fronten in der Serie "Atlanta Medical" geklärt - es handelt sich um ein Krankenhaus, in dem man nicht Patient sein möchte. Dr. Bell hält seinen Ruf und damit die Fähigkeit, Gelder für das Krankenhaus zusammenzutragen für wichtiger als einzelne Menschenleben - es war nicht sein erster Kunstfehler, und das weiß er auch. Hawkins ist zwar ein - in seinen Fähigkeiten überzeichneter - exzellenter Mediziner, aber der Ex-Soldat ist gleichsam von sich selbst überzeugt. Death before Dishonor ziert als Tattoo ein mutmaßliches Motto seiner Armeezeit seinen Rücken, lieber tot sein als ehrlos. Auch er scheint über für seine Überzeugung über Leichen zu gehen: Bell legt nahe, dass Hawkins einem schwerkranken Krebs-Patienten verbotene Sterbehilfe durch eine Medikamentenüberdosis geleistet hat. Und Pravesh als leicht affektierter, leicht weltfremder Schnösel dazwischen.
Als Puffer dazwischen fungiert "Krankenschwester" Nicolette "Nic" Nevin (Emily VanCamp,
Das große Problem von "Atlanta Medical" ist die Tatsache, dass die männlichen Protagonisten allesamt Egomanen sind, die eine feste Überzeugung haben, was das Richtige ist - auch über die Behandlung Kranker hinaus. Und so neigen sie zum Schwadronieren, bauen sich mit geschwellter Brust auf und bringen im Wesentlichen den Kampf um das amerikanische Gesundheitssystem auf den Bildschirm.
Wie schon an Bell zu sehen, spielt Geld in der US-amerikanischen Krankenversorgung eine große Rolle. Manche Patienten haben viel Geld. Manche keins. Manche Arbeitnehmer können es sich nicht mal leisten, einen Arbeitstag zu verpassen, um im Krankenhaus auf kostenlose Nothilfe zu warten. Dazwischen liegen die Hilfesuchenden, die eine gewisse Krankenversicherung haben, die nur bestimmte Behandlungen bezahlt. Und bei all den Überlegungen wurde noch gar kein Gedanke ans Patientenwohl verschwendet. Letztendlich muss ein Krankenhaus aber unter den Regeln des US-Gesundheitssystems wirtschaftlich bleiben, oder es wird zahlungsunfähig. So muss die Behandlung sich daran orientieren, was später abgerechnet werden kann - bekannte Ärzte wie Bell können wohlhabende Geldgeber motivieren, die Behandlung der Ärmsten mit Spenden zu unterstützen.
Für US-Zuschauer mag der Kampf der Identifikationsfiguren Hawkins, Pravesh und Nic um das körperliche, seelische und finanzielle Wohl (ohne Schulden bis ans Lebensende aus einer Behandlung zu kommen) emotional mitreißend sein, und auch für deutsche Zuschauer wird der Gedanke an hohe Behandlungskosten vermutlich nicht ganz neu sein. Trotzdem: diese Sichtweise macht einfach keinen Spaß. Und "Atlanta Medical" fällt von der Machart, der Thematik und dem Zielpublikum nun einmal in das Genre der Unterhaltungsserien.
Das können auch die Fälle und der ergänzende Cast nicht herausreißen. Dazu gehört Shaunette Renée Wilson als exzellente Assitenzärztin Mina Okafor aus Nigeria, die führend beim Einsatz eines neuartigen Operations-Roboters ist, während Melina Kanakaredes die namhafte Onkologin Lane Hunter spielt, die mit Herz und Versand vorgeht und neben ihrem Job an der Klinik noch ein eigenes, ambulantes Krebszentrum. Moran Atias (
Abgesehen vom wirklich bitteren Beigeschmack der unsympathischen Protagonisten - auch in übergreifenden Handlungsbögen - liefert "Atlanta Medical" im Wesentlichen das, was man mittlerweile von einer Krankenhausserie erwartet: Gestresste Ärzte, die ihren Trieben freien Lauf lassen, menschliche Dramen, den einen oder anderen Fall, der sich über mehrere Episoden zieht und dazu sogar einen Mystery-Plot. Hauptargument gegen das Format ist, dass es eben bessere, unterhaltsamere Krankenhausserien gibt.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten vier Episoden der Serie.
Bernd Krannich
© Alle Bilder: FOX
ProSieben zeigt die Auftaktstaffel von "Atlanta Medical" ab dem 24.Oktober 2018 immer mittwochs um 21.15 Uhr in Doppelfolgen. Die Serie, die in den USA als "The Resident" ausgestrahlt wird, kann neben der 14-teiligen Auftaktstaffel auch auf die Bestellung einer 22-teiligen zweiten Staffel zählen, die aktuell in den USA gezeigt wird.
Über den Autor
Leserkommentare
Horatio schrieb am 26.10.2018, 18.32 Uhr:
Naja – patientenhassende Ärzte, Mediziner die aus Langeweile Behandlungsfehler begehen und Oberärzte, die Kranke je nach der Größe deren Bankkonten behandeln gab es schon in der Comedyserie »Scrubs«.Fazit: Als Kranker braucht man heutzutage eher einen guten Schadensrechtsanwalt als einen guten Arzt. ;)Sentinel2003 schrieb am 25.10.2018, 10.21 Uhr:
Ist doch echt Käse, daß der Czuchry seine SynchronStimme aus "The Good Wife" nicht hat!
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