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TV-Kritik/Review: "The Undoing": Mordfall zerstört das Oberschichtsleben von Nicole Kidman und Hugh Grant
(26.10.2020)
Produziert HBO als Pay-TV-Sender für wohlhabende Kunden jetzt nur noch Serien, die auch in einem Milieu spielen, in dem man die Abogebühr aus der Portokasse bezahlen kann? Die Frage muss schon erlaubt sein, taucht der Sender doch nach dem Erfolg von
Zumindest setzt HBO auf Kontinuität vor und hinter der Kamera: "Big Little Lies"-Autor David E. Kelley zeichnet auch für die Drehbücher der neuen Miniserie verantwortlich (basierend auf dem Roman "Du hättest es wissen können" von Jean Hanff Korelitz, deutsch bei Ullstein), gleichzeitig hat Nicole Kidman auch wieder eine Hauptrolle übernommen. Diesmal steht sie sogar klar im Mittelpunkt der sechs Episoden.
Ihre Grace Fraser führt anfangs als Psychotherapeutin und Arztgattin ein Bilderbuchleben, in dem die einzige Sorge ist, dass die neue Mutter im Wohltätigkeitskomitee der Eliteschule so unbeschwert mit ihrem jungen Körper umgeht. Ehemann Mike (Hugh Grant) hat sich als Kinderonkologe ganz dem Kampf gegen die Krebserkrankungen seiner kleinen Patienten verschrieben, schafft es aber trotzdem noch, ein kumpelhafter Vater für Sohn Henry (Noah Jupe) und ein aufmerksamer Partner für Grace zu sein. Deren Vater Franklin (Donald Sutherland) gehört zu den Reichsten der Stadt. Und Grace selbst findet, wenn sie nicht gerade in ihrer Citypraxis den Problemen ihrer Patienten lauscht, eben noch genügend Muße, mit anderen Müttern Charityabende zu Gunsten finanziell benachteiligter Schüler zu organisieren. In diesem Komitee sitzt dann eines Tages auch die wesentlich jüngere (und ärmere) Elena Alves (Matilda De Angelis), die mitten in der Sitzung anfängt, ihr schreiendes Baby zu stillen - was Grace und die anderen Mütter ziemlich verstört.
Es kommt dann noch zu mehreren seltsamen Begegnungen mit Elena, darunter eine wahrhaft denkwürdige im Umkleideraum des Fitnessstudios, wo sich die jüngere Frau nackt direkt vor der sitzenden Grace posiert, das blanke Geschlecht knapp vor deren Gesicht. Kein Wunder, dass Grace in der Nacht erotische Träume von Elena hat. An dieser Stelle in der Auftaktfolge denkt man noch, die Serie laufe mal wieder auf eine Geschichte von sexuellem Erwachen und unterdrückten Gefühlen in der Oberschicht hinaus, und fragt sich, warum man sich eigentlich für die first world problems dieser Leute interessieren soll. Es kommt dann aber alles ganz anders, denn am Ende der Folge ist Elena tot, ihr Kopf mit einem Hammer grausam eingeschlagen. Und Mike, der angeblich zu einem Ärztekongress gereist war, ist unerreichbar - sein Handy findet Grace zuhause in der Schublade.
In Episode zwei kippt die Stimmung komplett, wird aus dem Upper-Class-Drama ein Mysterythriller: Zuerst versucht Grace mit zunehmender Angst, ihren Ehemann zu erreichen. Dann tauchen die im Mordfall ermittelnden Kriminalbeamten bei ihr auf und eröffnen ihr, dass sie offenbar vieles über Mike nicht wusste - und das er als Hauptverdächtiger gilt, ging dessen Beziehung zum Opfer doch weit über das von Elternteilen mit Kindern an der gleichen Schule hinaus. Der geschockten Grace bleibt nur noch, um die Reste des Lebens zu kämpfen, das sie bislang für selbstverständlich gehalten hat: Die anderen Mütter schneiden sie, der Direktor legt ihr nahe, Henry nicht mehr abzuholen, und die Pressemeute belagert ihr Haus. Um ihren Sohn zu schützen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich von ihrem Ehemann zu distanzieren.
Diese Folge ist klar die dichteste, packendste, in der Kidman ihre schauspielerischen Fähigkeiten am besten zeigen kann. Leider kippt die Stimmung danach noch einmal, wird die Serie mit Beginn der Gerichtsverhandlung zu einem relativ konventionellen Justizdrama. Solche hat Kelley (
Unspannend ist das alles nicht erzählt, aber doch recht unoriginell und manchmal zu sehr auf Effekte bedacht. So endet jede Episode mit einem gemeinen Cliffhanger, damit wir als Zuschauer auch ja dranbleiben. Die Charakterisierung Mikes wechselt zwischen liebendem Vater und skrupellosem Betrüger hin und her, wobei der gut gealterte Hugh Grant geschickt mit seinem Image als charmanter Frauenschwarm spielt. Nicole Kidman schafft es durchaus, dass man mit Grace leidet; was wirklich in ihr vorgeht, bleibt aber weitgehend unklar - die Schauspieler überzeugen also deutlich mehr als das Drehbuch. Auch von der Inszenierung konnte man mehr erwarten, hat doch die dänische Oscarpreisträgerin Susanne Bier (
Die finale Episode und damit die Auflösung des Mordfalls stand der Presse vorab nicht zur Verfügung. Es bleibt aber zu befürchten, dass das Ganze letztlich auf eine schale moralische Aussage hinausläuft. Den Eindruck hat man jedenfalls immer dann, wenn das Familienleben von Fernando und seinem Sohn gezeigt wird, die sich die Eliteschule nur wegen eines Stipendiums leisten können. Trotzdem hätte diese Familie wohl ein glückliches Leben führen können, wenn die Frasers nicht dazwischen gekommen wären, die trotz ihres Wohlstands irgendwie gefühlskalt wirken. Aber vielleicht überrascht uns Kelley am Ende ja doch noch mit einer erneuten Volte. In seiner Amazon-Serie
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten fünf Episoden von "The Undoing".
Die sechsteilige Miniserie "The Undoing" feiert seit dem 25. Oktober 2020 in den USA ihre Weltpremiere beim Sender HBO. Sky Deutschland besorgt die Premiere in Deutschland und Österreich ab dem 30. November 2020.
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